Coincidance – Tanz der Zufälle

Klappentxt:

Nein, die Schreibweise von ‚Coincidance‘ ist kein Fehler, denn in einem wilden, derwischartigen Wirbel von
Koinzidenzen und Zufällen tanzt hier Robert Anton Wilson mit James Joyce, dem Marquis de Sade, Timothy Leary,
C.G. Jung, Marilyn Monroe, Aleister Crowley, William S. Burroughs und vielen anderen.

 

 

Aus dem Buch:

Das Geheimnis des Motherfuckers
Mein erster Artikel wurde 1959 veröffentlicht. Bis 1972 hatte ich über 2000 Artikel, Geschichten und Gedichte verkauft, aber es war mir noch nicht gelungen, jemanden dazu zu überreden, mich in Buchform zu veröffentlichen. Dann wurde ich getauft und wiedergeboren und lernte, worum es beim Publizieren geht.
Mein erstes veröffentlichtes Buch – es war nicht das erste, das ich geschrieben hatte – hieß PLAYBOY’s Book of Forbidden Words und war ein weitschweifiges Wörterbuch der Obszönitäten und Schimpfwörter. Es wurde geschrieben, während Dell über mein eigentliches erstes Buch meditierte, Illuminatus! (in Zusammenarbeit mit Robert Shea). Dells Meditationen waren anhaltend und tiefgründig, gelinde gesagt – nach nur fünf Jahren entschieden sie sich, den Monster-Roman zu veröffentlichen, und dann bestanden sie darauf, dass es um 500 Seiten gekürzt und in drei Bände aufgeteilt werden müsse. Nach fünf Jahren des Kampfes kapitulierten Shea und ich.
In der Zwischenzeit, während Dell noch mitten in seiner Fünf-Jahres-Meditation über Illuminatus! verweilte, versuchte ich, ein Buch auf den Markt zu bringen. Ich stimmte zu, PLAYBOY’s Book of Forbidden Words zu schreiben, was zu einem weiteren Desaster führte und erneut meine Naivität gegenüber dem Verlagswesen bewies. Das Buch war nicht meine Idee, sondern die eines Redakteurs bei Playboy Press, der mich fragte, ob ich eine Abhandlung über vulgäre Sprache schreiben könne. Ich sagte, klar könne ich das, da ich eine Menge über Sprachgeschichte wusste und auch wusste, wie man Nachforschungen anstellt; wir unterschrieben einen Vertrag und ich legte los – und hatte schnell ein Buch von hoher Gelehrsamkeit und (denke ich) einigem Witz geschrieben. Es stellte sich heraus, dass das nicht das war, was man wollte. Die Gelehrsamkeit und Sprachgeschichte wurden, zusammen mit dem meisten Witz, herausgekürzt, und in seiner Eile, aus meinem Werk ein kommerzielleres Produkt zu machen, ersetzte der Redakteur in vielen Abschnitten korrekte Grammatik und Syntax mit der Art Pidgin-Englisch, die man im Allgemeinen nur in Fernsehwerbungen findet.
Ich war entsetzt, aber ich war zu der Zeit auch völlig pleite und Dell hatte sich immer noch nicht entschieden, ob sie Illuminatus! veröffentlichen sollten. Allein von Feigheit und Panik getrieben, stimmte ich der Herausgabe von Forbidden Words unter meinem Namen zu, obwohl es zu diesem Zeitpunkt überwiegend aus dem Text des Redakteurs bestand, oder dem Text, von dem er annahm, eine schwachsinnige Leserschaft würde ihn verstehen. Das Buch war ein kläglicher Misserfolg und wurde schon bald nicht mehr gedruckt. Ich habe nie darüber geklagt und ich fürchte den Tag, an dem Gelehrte es wiederentdecken und beginnen, mich für all das zu beschuldigen, was an ihm schlecht ist.
Währenddessen: Hier ein etwas rekonstruiertes Beispiel aus meinem allerersten Buch. Für die Wiederveröffentlichung habe ich die kontroverseste Zärtlichkeit der englischen Sprache gewählt.

MOTHERFUCKER

Wörtlich ist ein motherfucker natürlich jemand, der mit seiner Mutter schläft; aber das Wort ist selten wörtlich gemeint. Als beleidigendste Obszönität im Amerikanischen hat motherfucker verschiedene schüchterne, euphemistische und mehr oder weniger humorvolle Variationen hervorgebracht, wie motherjumper, motherferrier, mo’fo‘, mammyjammer, futhermucker, das abgekürzte Adjektiv mothering (wie in »Where the hell is the mothering wrench?«) und das diakonische mother, das zuletzt Einzug in die Sprache der Mittelschicht gehalten hat – wie wenn in Billy Wilders Film The Apartment Jack Lemon zum Barkeeper sagt: »Give me another of those little mothers«, als er einen weiteren Martini bestellt.
Man nimmt für gewöhnlich an, dass motherfucker schwarzen Ursprungs ist, aber einige Linguisten behaupten, dass es zuerst unter armen Weißen aufgetaucht sei. Es wird recht markant in vielen klassischen Stücken schwarzen Volkstums gebraucht – zum Beispiel in der Ballade von Stackerlee oder Stagolee, die zahlreiche Varationen besitzt und in fast jeder schwarzen Gemeinde bekannt ist. Das Epos enthält die unvergessliche Prahlerei:
I’ve got a tombstone disposition and a graveyard mind
I’m a bad motherfucker and I don’t mind dyin‘
[A.d.Ü.: Ich hab‘ ein Grabsteingemüt und einen Friedhofsgeist,
Ich bin eine üble Drecksau und es macht mir nichts aus zu sterben.]
Dies steht ganz in der Tradition der Prahlereien Homerischer Helden, der irischen Reden von Finn Mac Cool, und der Angebereien von Davy Crockett (der einmal behauptete, »halb Pferd und halb Alligator« zu sein). Stackerlees zweite Zeile oben sollte »baaaaaaad« ausgesprochen werden, mit einiger Fröhlichkeit in der Stimme; in der Sprache des Ghettos ist es nicht zu verachten, ein baaaaaaad motherfucker zu sein. Der Ausdruck ist fast ein Kompliment und sicherlich respektvoll: Er bezeichnet die Tugend, die Mexikaner cojones nennen (Hoden und/oder Mut) oder machismo (Supermännlichkeit). Ein baaaaaaad motherfucker mag unmoralisch nach gewöhnlichen Maßstäben sein, aber du würdest ihn lieber auf deiner Seite haben als gegen dich: Er ist so hart wie der Schädel eines Fundamentalisten und würde eher sterben als kriechen. Bobby Seale, Vorsitzender der Black Panther Partei, nannte seinen Sohn Malik Nkrumah Stagolee Seale. In seiner Einleitung zu Seize the Time, erklärt Seale »Der Name eines meiner Söhne entstammt dem Lumpenproletariat politisch unwissender Brüder der Straße. Stagolee hat seine Brüder und Schwestern bekämpft, und er hätte es nicht tun sollen. Der Stagolee von heute sollte die Botschaften von Malcom X aufgreifen, wie Huey Newton, um sich der rassistischen, kapitalistischen Unterdrückung entgegenzustellen, der unsere Leute und andere Völker unterworfen sind.«
Ein anderes schwarzes Epos liefert uns eine weitere Dimension des motherfucker-Rätsels. Shine, der Koch der Titanic, springt nach dem Zusammenprall mit dem Eisberg über Bord und beginnt zu schwimmen. Die Tochter des Kapitäns kommt an Deck und fleht ihn an, sie zu retten. Seine Antwort ist wenig mitfühlend –
»There’s pussy on the land and pussy on the sea,
but the pussy on the land is the pussy for me«
[A.d.Ü.: »Es gibt Mösen an Land und Mösen auf See,
Aber die Möse an Land, ist die Möse zu der ich geh’«]
– und er schwimmt weiter. Ein Hai versucht ihn zu verschlingen, aber Shine weigert sich erneut, von seiner Bestimmung abgelenkt zu werden, und sagt:
You’re the king of the ocean, king of the sea,
But you gotta be a swimmin‘ motherfucker to outswim me
[A.d.Ü.: »Du bist der König des Ozeans, König der See,
Aber du musst schon ’ne schwimmende Drecksau sein, um mich einzuholen«]
Shine steht an einer Ecke in Harlem zwei Stunden, bevor die Nachricht vom Untergang der Titanic New York erreicht.
(Seltsamerweise hörte James Joyce diese Ballade in Paris in den 20ern und war von ihr fasziniert. Es mag zum Teil die Tatsache erklären, dass die Titanic eine große Rolle in Finnegans Wake spielt.)
Shine ist vielleicht kein baaaaaad motherfucker in der vollen Bedeutung dieses Titels, aber er ist nahe dran. Er hat die Willenskraft sexuelle Befriedigung aufzuschieben, kann einem Hai davonschwimmen und schlägt die drahtlose Telegraphie über den Atlantik. Es gibt jedoch noch eine andere Art motherfucker, die deutlich weniger bewundernswert ist (in der lateinischen Bedeutung dieses Wortes), und man kennt ihn normalerweise als einen signifying motherfucker. So eine Person hat all die oberflächlichen Eigenschaften eines baaaaaaad motherfuckers, gibt aber klein bei, wenn sie angegriffen wird. Sie ist nur ein Bluff. (In schwarzer Sprache heißt signifying, Worte zu benutzen ohne den Willen oder die Absicht, dazu zu stehen; die meisten Versprechungen der Regierung werden im Ghetto als signifying verstanden.) Das klassische Beispiel ist der Signifying Monkey in einer Legende, die so alt ist, dass manche Folkloristen denken, sie lasse sich bis nach Afrika zurückverfolgen, wie die Besetzung vermuten lässt. Ich denke, sie ist es wert, im Ganzen wiedergegeben zu werden.
Deep down in the jungle, near a dried-up creek,
The signifying monkey hadn’t slept for a week.
Every night when he was ready for a piece
Brother Lion came by a-roaring like po-lice.
[A.d.Ü.: Tief unten im Dschungel, an einem ausgetrockneten Bach,
Lag der bluffende Affe seit einer Woche wach.
Jede Nacht, wenn er ein bisschen schlafen wollte,
Kam Bruder Löwe vorbei, eine Polizei, die brüllte und grollte.

po-lice: stark abwertender Slangausdruck für Polizisten; lice – Läuse]
Der Affe entschied, den Löwen fertig zu machen, aber da er nur ein signifyer ist, unternimmt er keinen Frontalangriff; stattdessen benutzt er das alte Lass-dich-und-ihn-kämpfen-Gambit, indem er dem Löwen mitteilt, dass Bruder Elefant ihn beschimpft hätte, nämlich mit:
He says he fucked your mommy, and your auntie, too
And if you ain’t careful, he’s gonna fuck you
[A.d.Ü.: Er sagt, er hat deine Mammi gefickt, und dein Tantchen auch,
Und wenn du nicht vorsichtig bist, dann fickt er dich.]
Das bringt Bruder Löwe richtig in Rage und er zieht los, um den Elefanten zur Rede zu stellen:
He ran through water, he ran through mud,
He came to a bar called the Bucket of Blood.
There sat Elephant, two whores upon his knee,
He was drinking boiler-makers and smoking tea.
Lion walk up and spit right in his eye,
Say, »Rise, motherfucker, you’re gonna die!«
[A.d.Ü.: Er rannte durch Wasser, er rannte durch Schlamm,
An der Bar »Eimer des Blutes« kam er schließlich an,
Dort saß Elefant, zwei Huren auf dem Knie,
Er trank Boilermaker und rauchte Tee.
Löwe ging zu ihm und spuckte direkt in sein Auge,
Sprach: »Steh auf, Drecksau, jetzt wirst du sterben!«
Boilermaker: Ein Cocktail – 250 ml helles Bier, 3 cl Bourbon]
Majestätisch verpasst der Elefant ihm einen kräftigen Tritt und der Löwe kriecht davon, »mehr tot als lebendig«. Als er schwach auf seine Höhle zutaumelt, kommt er am signifying monkey vorbei, der ihn auslacht und ihm ins Gesicht schleudert:
»The sky is blue and the grass is green,
And you’re the dumbest motherfucker this jungle’s ever seen!«
[A.d.Ü.: »Der Himmel ist blau und das Gras ist grün,
Und du bist die dümmste Drecksau, die der Dschungel je geseh’n!«]
Doch, oh weh, der Affe lacht zu laut und verliert das Gleichgewicht. Der Löwe ist auf ihm mit seinen vier Pranken, sobald er auf dem Boden aufschlägt. Hier kommt das wirkliche signifying des Affen ins Spiel. Mit »Tränen in seinen Augen« und großem Ernst bietet er seine Entschuldigung an und liefert eine tönende Erklärung, dass er sich ändern und bessern werde. Der leichtgläubige Löwe verschont ihn – woraufhin der bluffende (signifying) kleine Mistkerl wieder auf den Baum klettert und lachend verkündet:
»The sky is still blue, and the grass is still green,
And you’re still the dumbest motherfucker this jungle’s ever seen!«
[A.d.Ü.: »Der Himmel ist immer noch blau, das Gras noch grün,
Und du bist immer noch die dümmste Drecksau, die der Dschungel je geseh’n!«]
Der Affe lacht jetzt so laut, dass er erneut vom Baum fällt. Die Legende endet so grimmig wie manche von Aesops Fabeln:
Deep down in the jungle near a dried-up creek,
Nobody seen that monkey for more than a week.
But there’s a new tombstone and here’s what it say:
»Here’s where a signifying motherfucker lay.«
[A.d.Ü.: Tief unten im Dschungel an einem ausgetrockneten Bach,
Hat seit über einer Woche keiner den Affen gesehen.
Aber da ist ein neuer Grabstein, auf dem Folgendes steht:
»’s ist diese Stelle, an der eine bluffende Drecksau begraben liegt«.]
Die schwarze Bedeutung von motherfucker ist demnach alles andere als einfach, und ein baaaaaaad motherfucker ist bewundernswert oder zumindest ehrfurchtgebietend, wohingegen ein signifying motherfucker bloß Mitleid erregt. Als motherfucker in die Stadt gelangte und somit in die Sprache der Weißen, verlor es diese Zweideutigkeit und wurde nunmehr bloß noch zu der gröbsten Beleidigung im Umlauf. Zu einer bestimmten Zeit bestand bei den Streitkräften ein Spiel darin, es gegenüber neuen Rekruten aus der Mittelschicht zu benutzen und sich dann zu ducken: Sie begannen fast immer, drauflos zu schlagen. Als sich das Wort besser etablierte, wurde es nach und nach weniger schockierend und wird jetzt fast genauso beiläufig und herzlich verwendet wie Hurensohn. Tatsächlich kann man erkennen, dass Hurensohn und motherfucker herzlich gemeint sind, wenn ihnen »alter« vorausgeht – sogar am Telefon, wenn man das freundliche Lächeln nicht sieht: »Is it you, Joe, you old motherfucker?« Es kann immer noch Leuten eine Reaktion entlocken, die ein behütetes Leben geführt haben, wie offenbar einigen Polizisten. In New Jersey wurde vor einigen Jahren ein Organisator der Black Panthers verhaftet, weil er einem weißen Verkehrspolizisten gesagt hatte: »Just a minute, motherfucker.« Der Anwalt der Verteidigung argumentierte, so wie ich es hier habe, dass motherfucker in der Sprache der Schwarzen nicht immer eine Beleidigung oder Provokation sei und sogar ein Kompliment sein könne, aber der Richter entschied, dass es kaum freundlich gemeint sei, wenn ein Panther es gegenüber einem Polizisten verwendete. Der Angeklagte wurde mit einem Bußgeld belegt.
Dem Begriff motherfucker innewohnend ist der Vorwurf des Inzest zwischen Mutter und Sohn. Ein Tabu, das fast universal ist, wie Anthropologen sagen, und das, im Gegensatz zu anderen sexuellen Einschränkungen, auch fast überall befolgt wird. Kinsey und seine Mitarbeiter fanden heraus, dass Inzest zwischen Vater und Tochter weit verbreiteter war als irgendjemand angenommen hatte, bevor sie ihre Umfragen machten, aber sie fanden nie einen einzigen wirklichen Fall von Inzest zwischen Mutter und Sohn. Das Wort motherfucker mag sich seinen Weg in unser Bewusstsein gebahnt haben, aber die Tat selbst ist immer noch undenkbar.

Klappentxt:

Nein, die Schreibweise von ‚Coincidance‘ ist kein Fehler, denn in einem wilden, derwischartigen Wirbel von
Koinzidenzen und Zufällen tanzt hier Robert Anton Wilson mit James Joyce, dem Marquis de Sade, Timothy Leary,
C.G. Jung, Marilyn Monroe, Aleister Crowley, William S. Burroughs und vielen anderen.

 

 

Aus dem Buch:

Das Geheimnis des Motherfuckers
Mein erster Artikel wurde 1959 veröffentlicht. Bis 1972 hatte ich über 2000 Artikel, Geschichten und Gedichte verkauft, aber es war mir noch nicht gelungen, jemanden dazu zu überreden, mich in Buchform zu veröffentlichen. Dann wurde ich getauft und wiedergeboren und lernte, worum es beim Publizieren geht.
Mein erstes veröffentlichtes Buch – es war nicht das erste, das ich geschrieben hatte – hieß PLAYBOY’s Book of Forbidden Words und war ein weitschweifiges Wörterbuch der Obszönitäten und Schimpfwörter. Es wurde geschrieben, während Dell über mein eigentliches erstes Buch meditierte, Illuminatus! (in Zusammenarbeit mit Robert Shea). Dells Meditationen waren anhaltend und tiefgründig, gelinde gesagt – nach nur fünf Jahren entschieden sie sich, den Monster-Roman zu veröffentlichen, und dann bestanden sie darauf, dass es um 500 Seiten gekürzt und in drei Bände aufgeteilt werden müsse. Nach fünf Jahren des Kampfes kapitulierten Shea und ich.
In der Zwischenzeit, während Dell noch mitten in seiner Fünf-Jahres-Meditation über Illuminatus! verweilte, versuchte ich, ein Buch auf den Markt zu bringen. Ich stimmte zu, PLAYBOY’s Book of Forbidden Words zu schreiben, was zu einem weiteren Desaster führte und erneut meine Naivität gegenüber dem Verlagswesen bewies. Das Buch war nicht meine Idee, sondern die eines Redakteurs bei Playboy Press, der mich fragte, ob ich eine Abhandlung über vulgäre Sprache schreiben könne. Ich sagte, klar könne ich das, da ich eine Menge über Sprachgeschichte wusste und auch wusste, wie man Nachforschungen anstellt; wir unterschrieben einen Vertrag und ich legte los – und hatte schnell ein Buch von hoher Gelehrsamkeit und (denke ich) einigem Witz geschrieben. Es stellte sich heraus, dass das nicht das war, was man wollte. Die Gelehrsamkeit und Sprachgeschichte wurden, zusammen mit dem meisten Witz, herausgekürzt, und in seiner Eile, aus meinem Werk ein kommerzielleres Produkt zu machen, ersetzte der Redakteur in vielen Abschnitten korrekte Grammatik und Syntax mit der Art Pidgin-Englisch, die man im Allgemeinen nur in Fernsehwerbungen findet.
Ich war entsetzt, aber ich war zu der Zeit auch völlig pleite und Dell hatte sich immer noch nicht entschieden, ob sie Illuminatus! veröffentlichen sollten. Allein von Feigheit und Panik getrieben, stimmte ich der Herausgabe von Forbidden Words unter meinem Namen zu, obwohl es zu diesem Zeitpunkt überwiegend aus dem Text des Redakteurs bestand, oder dem Text, von dem er annahm, eine schwachsinnige Leserschaft würde ihn verstehen. Das Buch war ein kläglicher Misserfolg und wurde schon bald nicht mehr gedruckt. Ich habe nie darüber geklagt und ich fürchte den Tag, an dem Gelehrte es wiederentdecken und beginnen, mich für all das zu beschuldigen, was an ihm schlecht ist.
Währenddessen: Hier ein etwas rekonstruiertes Beispiel aus meinem allerersten Buch. Für die Wiederveröffentlichung habe ich die kontroverseste Zärtlichkeit der englischen Sprache gewählt.

MOTHERFUCKER

Wörtlich ist ein motherfucker natürlich jemand, der mit seiner Mutter schläft; aber das Wort ist selten wörtlich gemeint. Als beleidigendste Obszönität im Amerikanischen hat motherfucker verschiedene schüchterne, euphemistische und mehr oder weniger humorvolle Variationen hervorgebracht, wie motherjumper, motherferrier, mo’fo‘, mammyjammer, futhermucker, das abgekürzte Adjektiv mothering (wie in »Where the hell is the mothering wrench?«) und das diakonische mother, das zuletzt Einzug in die Sprache der Mittelschicht gehalten hat – wie wenn in Billy Wilders Film The Apartment Jack Lemon zum Barkeeper sagt: »Give me another of those little mothers«, als er einen weiteren Martini bestellt.
Man nimmt für gewöhnlich an, dass motherfucker schwarzen Ursprungs ist, aber einige Linguisten behaupten, dass es zuerst unter armen Weißen aufgetaucht sei. Es wird recht markant in vielen klassischen Stücken schwarzen Volkstums gebraucht – zum Beispiel in der Ballade von Stackerlee oder Stagolee, die zahlreiche Varationen besitzt und in fast jeder schwarzen Gemeinde bekannt ist. Das Epos enthält die unvergessliche Prahlerei:
I’ve got a tombstone disposition and a graveyard mind
I’m a bad motherfucker and I don’t mind dyin‘
[A.d.Ü.: Ich hab‘ ein Grabsteingemüt und einen Friedhofsgeist,
Ich bin eine üble Drecksau und es macht mir nichts aus zu sterben.]
Dies steht ganz in der Tradition der Prahlereien Homerischer Helden, der irischen Reden von Finn Mac Cool, und der Angebereien von Davy Crockett (der einmal behauptete, »halb Pferd und halb Alligator« zu sein). Stackerlees zweite Zeile oben sollte »baaaaaaad« ausgesprochen werden, mit einiger Fröhlichkeit in der Stimme; in der Sprache des Ghettos ist es nicht zu verachten, ein baaaaaaad motherfucker zu sein. Der Ausdruck ist fast ein Kompliment und sicherlich respektvoll: Er bezeichnet die Tugend, die Mexikaner cojones nennen (Hoden und/oder Mut) oder machismo (Supermännlichkeit). Ein baaaaaaad motherfucker mag unmoralisch nach gewöhnlichen Maßstäben sein, aber du würdest ihn lieber auf deiner Seite haben als gegen dich: Er ist so hart wie der Schädel eines Fundamentalisten und würde eher sterben als kriechen. Bobby Seale, Vorsitzender der Black Panther Partei, nannte seinen Sohn Malik Nkrumah Stagolee Seale. In seiner Einleitung zu Seize the Time, erklärt Seale »Der Name eines meiner Söhne entstammt dem Lumpenproletariat politisch unwissender Brüder der Straße. Stagolee hat seine Brüder und Schwestern bekämpft, und er hätte es nicht tun sollen. Der Stagolee von heute sollte die Botschaften von Malcom X aufgreifen, wie Huey Newton, um sich der rassistischen, kapitalistischen Unterdrückung entgegenzustellen, der unsere Leute und andere Völker unterworfen sind.«
Ein anderes schwarzes Epos liefert uns eine weitere Dimension des motherfucker-Rätsels. Shine, der Koch der Titanic, springt nach dem Zusammenprall mit dem Eisberg über Bord und beginnt zu schwimmen. Die Tochter des Kapitäns kommt an Deck und fleht ihn an, sie zu retten. Seine Antwort ist wenig mitfühlend –
»There’s pussy on the land and pussy on the sea,
but the pussy on the land is the pussy for me«
[A.d.Ü.: »Es gibt Mösen an Land und Mösen auf See,
Aber die Möse an Land, ist die Möse zu der ich geh’«]
– und er schwimmt weiter. Ein Hai versucht ihn zu verschlingen, aber Shine weigert sich erneut, von seiner Bestimmung abgelenkt zu werden, und sagt:
You’re the king of the ocean, king of the sea,
But you gotta be a swimmin‘ motherfucker to outswim me
[A.d.Ü.: »Du bist der König des Ozeans, König der See,
Aber du musst schon ’ne schwimmende Drecksau sein, um mich einzuholen«]
Shine steht an einer Ecke in Harlem zwei Stunden, bevor die Nachricht vom Untergang der Titanic New York erreicht.
(Seltsamerweise hörte James Joyce diese Ballade in Paris in den 20ern und war von ihr fasziniert. Es mag zum Teil die Tatsache erklären, dass die Titanic eine große Rolle in Finnegans Wake spielt.)
Shine ist vielleicht kein baaaaaad motherfucker in der vollen Bedeutung dieses Titels, aber er ist nahe dran. Er hat die Willenskraft sexuelle Befriedigung aufzuschieben, kann einem Hai davonschwimmen und schlägt die drahtlose Telegraphie über den Atlantik. Es gibt jedoch noch eine andere Art motherfucker, die deutlich weniger bewundernswert ist (in der lateinischen Bedeutung dieses Wortes), und man kennt ihn normalerweise als einen signifying motherfucker. So eine Person hat all die oberflächlichen Eigenschaften eines baaaaaaad motherfuckers, gibt aber klein bei, wenn sie angegriffen wird. Sie ist nur ein Bluff. (In schwarzer Sprache heißt signifying, Worte zu benutzen ohne den Willen oder die Absicht, dazu zu stehen; die meisten Versprechungen der Regierung werden im Ghetto als signifying verstanden.) Das klassische Beispiel ist der Signifying Monkey in einer Legende, die so alt ist, dass manche Folkloristen denken, sie lasse sich bis nach Afrika zurückverfolgen, wie die Besetzung vermuten lässt. Ich denke, sie ist es wert, im Ganzen wiedergegeben zu werden.
Deep down in the jungle, near a dried-up creek,
The signifying monkey hadn’t slept for a week.
Every night when he was ready for a piece
Brother Lion came by a-roaring like po-lice.
[A.d.Ü.: Tief unten im Dschungel, an einem ausgetrockneten Bach,
Lag der bluffende Affe seit einer Woche wach.
Jede Nacht, wenn er ein bisschen schlafen wollte,
Kam Bruder Löwe vorbei, eine Polizei, die brüllte und grollte.

po-lice: stark abwertender Slangausdruck für Polizisten; lice – Läuse]
Der Affe entschied, den Löwen fertig zu machen, aber da er nur ein signifyer ist, unternimmt er keinen Frontalangriff; stattdessen benutzt er das alte Lass-dich-und-ihn-kämpfen-Gambit, indem er dem Löwen mitteilt, dass Bruder Elefant ihn beschimpft hätte, nämlich mit:
He says he fucked your mommy, and your auntie, too
And if you ain’t careful, he’s gonna fuck you
[A.d.Ü.: Er sagt, er hat deine Mammi gefickt, und dein Tantchen auch,
Und wenn du nicht vorsichtig bist, dann fickt er dich.]
Das bringt Bruder Löwe richtig in Rage und er zieht los, um den Elefanten zur Rede zu stellen:
He ran through water, he ran through mud,
He came to a bar called the Bucket of Blood.
There sat Elephant, two whores upon his knee,
He was drinking boiler-makers and smoking tea.
Lion walk up and spit right in his eye,
Say, »Rise, motherfucker, you’re gonna die!«
[A.d.Ü.: Er rannte durch Wasser, er rannte durch Schlamm,
An der Bar »Eimer des Blutes« kam er schließlich an,
Dort saß Elefant, zwei Huren auf dem Knie,
Er trank Boilermaker und rauchte Tee.
Löwe ging zu ihm und spuckte direkt in sein Auge,
Sprach: »Steh auf, Drecksau, jetzt wirst du sterben!«
Boilermaker: Ein Cocktail – 250 ml helles Bier, 3 cl Bourbon]
Majestätisch verpasst der Elefant ihm einen kräftigen Tritt und der Löwe kriecht davon, »mehr tot als lebendig«. Als er schwach auf seine Höhle zutaumelt, kommt er am signifying monkey vorbei, der ihn auslacht und ihm ins Gesicht schleudert:
»The sky is blue and the grass is green,
And you’re the dumbest motherfucker this jungle’s ever seen!«
[A.d.Ü.: »Der Himmel ist blau und das Gras ist grün,
Und du bist die dümmste Drecksau, die der Dschungel je geseh’n!«]
Doch, oh weh, der Affe lacht zu laut und verliert das Gleichgewicht. Der Löwe ist auf ihm mit seinen vier Pranken, sobald er auf dem Boden aufschlägt. Hier kommt das wirkliche signifying des Affen ins Spiel. Mit »Tränen in seinen Augen« und großem Ernst bietet er seine Entschuldigung an und liefert eine tönende Erklärung, dass er sich ändern und bessern werde. Der leichtgläubige Löwe verschont ihn – woraufhin der bluffende (signifying) kleine Mistkerl wieder auf den Baum klettert und lachend verkündet:
»The sky is still blue, and the grass is still green,
And you’re still the dumbest motherfucker this jungle’s ever seen!«
[A.d.Ü.: »Der Himmel ist immer noch blau, das Gras noch grün,
Und du bist immer noch die dümmste Drecksau, die der Dschungel je geseh’n!«]
Der Affe lacht jetzt so laut, dass er erneut vom Baum fällt. Die Legende endet so grimmig wie manche von Aesops Fabeln:
Deep down in the jungle near a dried-up creek,
Nobody seen that monkey for more than a week.
But there’s a new tombstone and here’s what it say:
»Here’s where a signifying motherfucker lay.«
[A.d.Ü.: Tief unten im Dschungel an einem ausgetrockneten Bach,
Hat seit über einer Woche keiner den Affen gesehen.
Aber da ist ein neuer Grabstein, auf dem Folgendes steht:
»’s ist diese Stelle, an der eine bluffende Drecksau begraben liegt«.]
Die schwarze Bedeutung von motherfucker ist demnach alles andere als einfach, und ein baaaaaaad motherfucker ist bewundernswert oder zumindest ehrfurchtgebietend, wohingegen ein signifying motherfucker bloß Mitleid erregt. Als motherfucker in die Stadt gelangte und somit in die Sprache der Weißen, verlor es diese Zweideutigkeit und wurde nunmehr bloß noch zu der gröbsten Beleidigung im Umlauf. Zu einer bestimmten Zeit bestand bei den Streitkräften ein Spiel darin, es gegenüber neuen Rekruten aus der Mittelschicht zu benutzen und sich dann zu ducken: Sie begannen fast immer, drauflos zu schlagen. Als sich das Wort besser etablierte, wurde es nach und nach weniger schockierend und wird jetzt fast genauso beiläufig und herzlich verwendet wie Hurensohn. Tatsächlich kann man erkennen, dass Hurensohn und motherfucker herzlich gemeint sind, wenn ihnen »alter« vorausgeht – sogar am Telefon, wenn man das freundliche Lächeln nicht sieht: »Is it you, Joe, you old motherfucker?« Es kann immer noch Leuten eine Reaktion entlocken, die ein behütetes Leben geführt haben, wie offenbar einigen Polizisten. In New Jersey wurde vor einigen Jahren ein Organisator der Black Panthers verhaftet, weil er einem weißen Verkehrspolizisten gesagt hatte: »Just a minute, motherfucker.« Der Anwalt der Verteidigung argumentierte, so wie ich es hier habe, dass motherfucker in der Sprache der Schwarzen nicht immer eine Beleidigung oder Provokation sei und sogar ein Kompliment sein könne, aber der Richter entschied, dass es kaum freundlich gemeint sei, wenn ein Panther es gegenüber einem Polizisten verwendete. Der Angeklagte wurde mit einem Bußgeld belegt.
Dem Begriff motherfucker innewohnend ist der Vorwurf des Inzest zwischen Mutter und Sohn. Ein Tabu, das fast universal ist, wie Anthropologen sagen, und das, im Gegensatz zu anderen sexuellen Einschränkungen, auch fast überall befolgt wird. Kinsey und seine Mitarbeiter fanden heraus, dass Inzest zwischen Vater und Tochter weit verbreiteter war als irgendjemand angenommen hatte, bevor sie ihre Umfragen machten, aber sie fanden nie einen einzigen wirklichen Fall von Inzest zwischen Mutter und Sohn. Das Wort motherfucker mag sich seinen Weg in unser Bewusstsein gebahnt haben, aber die Tat selbst ist immer noch undenkbar.

Details zum Buch:
  • Format: 14,3 x 21 cm
  • 280 Seiten
  • ISBN: 978-3-933321-77-0
  • Unser Preis: 16,90€
Bestellbar bei: